An einem fahrradfreien Tag bestieg ich das Strassburger Münster und spazierte durch die Innenstadt. Am Nachmittag fuhr ich mit der Straßenbahn nach Kehl.
Sa, 3.8.2019 (0 km und 0 Hm, gesamt 757 km und 2840 Hm)
Fahrrad nichts
Mittagessen: Quai de l‘Ill
Abendessen: Obst aus Geschäft
Übernachtung: Cerf d‘Or, Strasburg
Besichtigung: Innenstadt mit Münster und Turm
In den vergangenen Tagen hatte ich mehrere Frusterlebnisse, die meine Radel-Moral etwas untergraben hatten: Zwei Tage Gegenwind zwischen Luxemburg und Nancy, ein kräftiger Verfahrer in Sarrebourg und die langweilige Strecke am vergangenen Nachmittag. Deshalb hatte ich mir einen Tag Auszeit verordnet, an dem ich vor allem den Reiseblog nachführen wollte, mit dem ich bereits acht Tage im Rückstand war.
Strassburg hat wie der gesamte Grenzsaum zwischen Deutschland und Frankreich eine wechselvolle Vergangenheit hinter sich. Nach den Anfängen in der Römerzeit und den Wirren der Völkerwanderungszeit war es im Mittelalter als freie Reichsstadt Teil des Römischen Reiches deutscher Nation. Vielleicht schon ab 1439 verfügte die Stadt mit der Fertigstellung des 142 m hohen Turms des Münsters über das höchste Gebäude der Welt, spätestens aber von 1647 – mit der Zerstörung zweier Kirchtürme von vielleicht größerer, aber unsicherer Höhe – bis 1874 mit der Fertigstellung der Nikolaikirche in Hamburg. An der Wende vom Mittelelter zur Neuzeit war Strassburg eines der Zentren des Buchdrucks und der Reformation.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg kam das Elsass in den französischen Einflussbereich, Strassburg wurde aber erst Ende des 17. Jhts. von den Franzosen besetzt, blieb aber weitgehend deutschsprachig. Nach dem deutsch-französischen Krieg wurde Strassburg 1871 im neu gegründeten Deutschen Reich Hauptstadt des Reichslandes Elsass-Lothringen.
Während sich die Stadt davor noch weitgehend auf die Grande Ile beschränkte, wurde während der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich eine Stadterweiterung mit Teils monumentalen Bauten realisiert. Um den Kaiserplatz (heute Place de la République) und entlang breiter Boulevards entstanden der Kaiserpalast (heute Palais du Rhin), Universität, Oper, Bibliotheken und mehrere Verwaltungsgebäude. Die Grande Ile wurde bereits 1988 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen und 2017 um die Neustadt erweitert.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam Strassburg wieder zu Frankreich, wo es bis auf ein eher kurzes deutsches Intermezzo während des Zweiten Weltkriegs blieb. In den vergangenen Jahrzehnten wurden mehrere internationale Institutionen angesiedelt, so der Hauptsitz des europäischen Parlaments, der Europarat oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Ein Teil von diesen wurde im neuen Europaviertel etwas entfernt nordwestlich der Altstadt zusammengefasst.
Heute hat die Stadt ca. 280.000 Einwohner und die Agglomeration ca. 640.000 Einwohner. Sie ist Hauptstadt der Region Grand Est, in der 2016 im Zuge einer Verwaltungsreform die früheren Regionen Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne zusammengefasst wurden.
Ich muss gestehen, dass ich wieder nicht am Blog geschrieben habe. Am Vormittag bin ich auf das Strassburger Münster gestiegen. Durch den nicht fertiggestellten Turm gelangt man auf eine Plattform am oberen Ende der 66 m hohen Westfassade, von wo man einen tollen Blick auf die Dachlandschaft der Altstadt und über das Land bis zu den Vogesen und dem Schwarzwald hat. Durch den anderen Turm, den man nicht weiter besteigen kann, gelangt man wieder hinunter.
Danach bin ich auf der Grande Ile herumspaziert, was sehr angenehm ist, weil sie fast zur Gänze eine Fußgängerzone ist. In der Zentrale der städtischen Verkehrsbetriebe habe ich mir ein 24-Stunden-Ticket gekauft. Einer jungen Bediensteten habe ich mein Scheitern am Bahnhof geschildert, worauf sie mich zu einem Automaten in der Zentrale geführt und mir die Funktion erklärt hat. Aber dort wäre ich leicht alleine zurecht gekommen, weil er mit einem selbsterklärenden Touchscreen ausgestattet war. Trotzdem bin ich mir irgendwie alt vorgekommen – aber was solls.
In der Folge bin ich ein wenig auf verschiedenen Straßenbahnlinien in der Stadt herumgefahren. Damit ich das erste Mal im Leben mit einer Straßenbahn eine Staatsgrenze überquert habe, bin ich in die deutsche Nachbarstadt Kehl am anderen Rheinufer gefahren, die seit wenigen Jahren per Tram an Strassburg angeschlossen ist.
Für den nächsten Tag war mein Reiseplan, mit dem Fahrrad ca. 30 Kilometer nach Offenburg am Fuß des Schwarzwalds zu fahren, von wo ich den Zug quer durch das Gebirge an den Oberlauf der Donau nehmen wollte. Da meine Motivation etwas im Keller war, habe ich am Bahnhof von Kehl die Lage sondiert, ob ich vielleicht einen früheren Zug nehmen könnte, um an der Donau weiter als geplant kommen könnte. So könnte ich einen Tag früher als geplant nach Hause kommen. Da der Bahnhof offensichtlich nicht barrierefrei war, würde ich schauen müssen, möglichst früh vor der Abfahrtszeit am Bahnhof zu sein.
Mein Fahrrad war im Hinterhof eines Nachbarhotels untergebracht. Zur Sicherheit prüfte ich noch, ob dieses in der Früh bekommen würde. Erfreulicherweise war angeschrieben, dass man sich im Fall einer geschlossenen Türe ab sieben Uhr an die Rezeption meines Hotels wenden könne.

Auf zur Turmbesteigung!

Strebebögen von der Aufstiegstreppe aus gesehen

Langhaus und Quergaus von oben

Blick nach Westen

Blick nach Osten Richtung Europaparlament

Blick nach Süden

Hebewerk für Baumaterialien mit zwei Laufrädern für je einen Mann links und rechts der Seiltrommel

Verewigungssüchtige – darunter der Dichter Klopstock?

Röhren in Richtung von Sehenswürdigkeiten

Der fertiggestellte Nordturm, darin geht es wieder hinunter

80 % der Turmspitze sind durchlässig, um dem Wind wenig Angriffsfläche zu bieten

Rohan-Schloss, deutlich bescheidener als jenes in Saverne

Strebebebögen …

… und aus der Nähe

Langschiff

Feinste Steinmetzarbeiten an der Kanzel

… mit einem Detail

Säule vor dem Querschiff

Astronomische Uhr im rechten Querschiff

Fenster an einer Seitenwand

Die große Rosette über dem Hauptportal

Zentrale Straßenbahnstation Homme de Fer

Deutsch-französische Straßenbahngarnitur, mit der ich nach Kehl in Deutschland gefahren bin

Ungewöhnlich, wenn Wand und Fensterstöcke die selbe Farbe haben